August 1982

Ich werde früh wach. Blase ist derjenige, der mich geweckt hatte und nun auch Tasse wach schüttelt. Ich hebe den Kopf, im Zelt ist es kalt und feucht, draußen wird es nicht viel wärmer sein.
Auf meiner Uhr ist es dreiviertel sechs viel zu früh, doch für unsere Absichten schon ganz schön spät. Blase grient, als er uns müde in den Schlafsäcken murmeln und schimpfen hört.
Doch dann besinnen wir uns und stehen rasch auf, das vertreibt auch das Frösteln und außerdem wollen wir uns vor Blase nicht blamieren.
Es begann alles so:
Vor zwei Tagen, als wir in Liberec waren, fragte Tasse uns urplötzlich, wer mit ihm zur Elbfallbaude kommen würde.
Wir alle wußten, daß es von Bedrichov ungefähr vierzig Kilometer bis dorthin waren.
Blase lehnte sofort strikt ab, ich zögerte und sagte sc;hließlich zu, es war eben ein einmaliges Erlebnis. So kam es zur Wette und unser Ziel war es nun, bis Mitternacht zur Elbfallbaude hin und zurück zu wandern.
Dennoch dauerte es bis heute, ehe wir uns auf den Weg machten, aber wir betrachteten die gestrige Wanderung als Training.
Ich packe die Waffeln und Schokoladentafeln, die wir gestern abend in der Waldbadgaststätte gekauft hatten, in den Rucksack, verstaue den Fotoapparat, während Tasse draußen seinen Zitronentee kocht.
In aller Eile waschen wir uns im nahen Bach, unter den hohen Tannen ist es noch sehr kühl, das Wasser ist eisig.
Es ist verständlich, die Sonne ist noch nicht aufgegangen und in der Höhe unseres Zeltplatzes (760m üNN) sind diese morgendlichen Temperaturen normal, aber ich kann nur schlecht mein Zittern unterdrücken.
Blase grunzt schon wieder, wir sitzen auf den Baumstümpfen und schlürfen heißen Tee, das wärmt auf.
Das Dorf vor uns schläft ebenfalls noch, auf den gegenüberliegenden Hängen glitzern die Wiesen ihl frühen Sonnenlicht, es wird dauern, bis der Tau verschwunden ist.    .
Bei uns ist noch tiefster Schatten.
Unser Zeltnachbar, auch ein Deutscher, hat von unserem Plan erfahren und wünscht uns Erfolg, als wir endlich den Rucksack nehmen.
Wir haben ausgemacht, daß ihn jeder fünf Kilometer tragen wird und Tasse trägt zuerst.
Es ist genau auf die Minute sechs Uhr dreißig. Zuerst schlagen wir uns durch dichten Tannenwald und nasse Wiesen bergauf und schon nach kurzer Zeit triefen unsere Schuhe, aber wir erreichen bald die Straße. Nun geht es mehrere Kilometer die Straße entlang. Langsam werden wir warm, die Sonne steigt höher und höher, ihre Strahlen überfluten die riesigen Wälder und ich merke, daß diese Landschaft eine der schönsten, mir bekannten, ist. Große urwüchsige Wälder, Nadelwälder, bedecken die Berghänge, oft unterbrochen von Sümpfen und herrlichen Wiesen. Hier und da sehe ich schon Schmetterlinge über die erwachenden Blumen gaukeln, mir fällt ein, daß ich gestern hier einen seltenen Trauermantel beobachtet habe. Vögel beginnen zu zwitschern und wir wissen, daß der wolkenlose Morgenhimmel einen heißen Sommertag ankündigt. Sieben Uhr zehn haben wir den Kristianov, eine Wegkreuzung erreicht, wir frohlocken, denn wir haben nur eine dreiviertel Stunde für die ersten fünf Kilometer benötigt. Die Sonne wärmt, wir ziehen die dicken Sachen aus und verstauen sie im Rucksack, welchen ich jetzt tragen werde. Die erste Verschnaufpause genießen wir, auf einer Bank sitzend. Jetzt erst sehen wir die ersten Menschen, es sind tschechische Bäuerinnen, die mit Heugabeln auf die Wiesen gehen und ich bin froh, daß ich bei dieser Wanderung dabei bin. Die nächsten Kilometer verlaufen eintönig, es geht lange bergauf, die Sonne brennt schon vom tiefblauen Himmel, aber dann haben wir den vorläufigen Gipfelpunkt erreicht (1020 m üNN). Wir stehen auf einem verfallenen Knüppeldamm und betrachten den Wald. Rechts und links des Weges schlängeln sich Rinnsale ins Tal, inmitten des saftigen Grases schillern Wasserlachen, doch das Merkwürdigste sind die Bäume, diese verkrüppelten Tannen, die ihre krummen, nackten Äste in den Himmel strecken, die anklagend, drohend ihre dürren, rindenlosen Stämme über die Wiese verteilen, diese tückische Sumpfwiese. Ich erinnere mich an die russischen Märchenwälder und bin von der überraschenden Ähnlichkeit beeindruckt. Hinter uns erhebt sich das mächtige Massiv des Schwarzen Berges (Cerna hora 1084 m NN), der seinen Namen nur zu Recht trägt, denn die eben beschriebenen schwarzen Moorwälder verleihen ihm ein unvergeßliches, fast unheimliches Aussehen.
Vor uns der Siechhübel (Jizera 1123 m NN),dessen nackter Felsbuckel wie vergessen über den Wäldern emporragt.
Doch auch diese Szenerie hat ihre Nachteile, denn wir werden von unzähligen Fliegen umschwärmt.
Endlich, acht Uhr vierzig, sind wir an der Smedava angelangt.
Wir haben Glück, die Gaststätte öffnet gerade und wir kaufen für sündhaft viel Geld (30 Kcs) drei Büchsen Juice, von denen wir sofort eine schlachten. Entgegen meinen Erwartungen fühlen wir uns noch kräftig und frisch und wir wollen jetzt erst recht weiter. (2.Etappe: Smedava 14 km)
Hier stehen schon viele Autos, Touristen bevölkern die Wege, darunter auch zahlreiche DDR-Urlauber.
Über die folgenden Stunden gibt es nicht viel zu berichten, ich kann nur immer wieder betonen, daß die Gegend wunderschön ist.
Ich bin nur gespannt auf das sogenannte Misthaus, wo Gustav wohnt, von dem Tasse viel erzählt hat. Gustav war ein ehemaliger Deutscher, welcher hierher ins Isergebirge gezogen war.
Er vermietete für viel Geld Plätze an ausländische Touristen, verkaufte Schlafsäcke, Wanderkarten und vieles andere mehr.
Jetzt geht es bergab ins Tal der Jizerka (Zufluß der Iser) ich stelle erstaunt fest, daß sich die Farben der Landschaft verändert haben.
Das satte Grün wich einem bräunlichen Ton.
Auch die Wälder machten ausgedehnten sumpfigen Wiesen Platz, sie zogen sich an die Berghänge zurück.
Links von uns erheben sich in einiger Entfernung Felswände.
Trotz des sommerlichen Wetters macht auf mich das Tal einen etwas düsteren, schwermütigen Eindruck. Das Misthaus am Rande des verstreuten Ortes Jizerka ist ein Reinfall. Es ist polizeilich versiegelt und wir sehen ein paar Ausländer mit Rucksack, die ebenso enttäuscht vor dem Haus stehen.
Aber nun geht es wieder steil bergauf, der Rucksack drückt, die Juicebüchsen klappern, doch dann sind wir endlich oben und. jetzt liegen sieben Kilometer Abstieg bis Harrachov vor uns. (3.Etappe. Jizerka 20,5 km)
Der Weg ist wieder steil und holprig, zerfahren und ausgetreten, wir müssen oft am Rand entlang balancieren. Dann rauschen plötzlich links neben uns die Wildwasser der Iser, in deren Mitte die Grenze zu Polen verläuft. Auf einem Pfad zum Fluß hinunter steht ein einsamer Milizjeep, der daran erinnert, daß man nicht hinüber darf. Auch im Schatten ist es jetzt sehr warm, wir sehen viele Ausflügler in dünner, leichter Kleidung und wir haben ebenfalls alles Unnötige in den Rucksack gesteckt. Mit der Zeit merken wir, daß wir ins Riesengebirge kommen. Durch den Abstieg erscheinen die Berge, die das enge Tal begrenzen, gewaltig und uneinnehmbar. Und die Sonne lastet drückend auf unseren Köpfen, der Fluß rauscht, Insekten summen über den sonnenbeschienenen Brombeerbüschen, doch langsam wünschen wir das herrliche Sommerwetter zum Teufel. Die Füße schmerzen, wir schwitzen, es ist wie verhext, hier auf dem Talgrund am Fluß gibt es keinen Schatten mehr, der Erleichterung schaffen könnte. Ich habe schon keine Augen mehr für die Landschaft, ich sehe nur .noch vor uns, neben uns und hinter uns hohe Berge und in der Mitte sind wir und der Fluß. Eine Eisenbahnbrücke, eine imposante Stahl konstruktion, welche malerisch in das Bild paßt, kreuzt das Tal. Aber schließlich treffen wir doch auf die ersten Häuser .und eine Straßen brücke schwingt sich über die Iser. Man kann sich kaum vorstellen, welche Wirkung der Wegweiser an der Brücke hat. "Labska Bouda 16 km" Trotz dieser niederschmetternden Angabe überlegen wir nicht lange und begehen voller Stolz eine symbolische Handlung. Wir laufen über die Brücke und stellen uns neben das Schild "Krkonossky Narodni Park" und schütteln uns die Hände. Wir sind im Riesengebirge. Nun denn, jetzt kehren wir auch nicht mehr um, wir haben achtundzwanzig Kilometer hinter uns, die vor uns liegenden achtzehn (Harrachov mit eingerechnet) sind ein Klacks, doch wir ahnen nicht im Geringsten was noch vor uns liegt. Es folgt eine lange Pause auf den rund gewaschenen Steinen inmitten der Iser, das eisige Gebirgswasser kühlt angenehm die heißgelaufenen Füße. Und schließlich stehen wir auf dem nächsten Berg und vor uns, oder besser unter uns im etwas diesigen Tal liegt Harrachov. Der Anblick ist unvergeßlich. Unser letzter Aufstieg war uns nur gering erschienen, doch jetzt sehen wir ein tiefes, tiefes Tal zu unseren Füßen.
Unten schlängelt sich das graue Band der Straße entlang, ein winziger Lkw kriecht bergauf.
Und auf der gegenüberliegenden Seite, hinter Harrachov erheben sich die mächtigen Massive des Riesengebirges.
Obwohl hier noch, ich sage noch, etwas niedriger als der Fichtelberg, erscheinen sie ungleich größer, die tief einschneidenden Täler, man kann fast sagen Schluchten, drängen diesen Eindruck auf.
Und dort drüben, in ungewisser Höhe und Ferne, irgendwo in den Bergen liegt unser Ziel, die Elbfallbaude.
Hinter Harrachov unterqueren wir eine Straßenbaustelle, deren Asphalt glühen scheint.
Tasse kennt die Gegend und bald quälen wir uns schwitzend und keuchend in die Berge hinauf.
Hinter jeder Wegbiegung des Mumlavatals treffen wir auf immer größere Menschengruppen, die alle das selbe Ziel haben.
Die Mumlava oder Mummel ist ein Zufluß der Iser, welcher in unmittelbarer Nähe der Elbfallbaude entspringt, ihr Wasser ist aber bedeutend klarer und sauberer als das der Iser.
Große Steine stauen den Wildbach zu kleinen tiefen Becken, in denen man bis auf den Grund blicken kann, das überflüssige Wasser stürzt schäumend ins nächsttiefere Becken.
Dabei entstehen auch malerische Wasserfälle, welche jedoch ausschließlich als Touristenattraktion dienen. Wir sehen viele Leute, die im Bach baden.
Ich staune, wie viele Menschen wir trotz unserer angeschlagenen Kondition noch überholen, wir hasten an ihnen vorbei.
Dann führt Tasse uns links auf einen steil nach oben führenden steinigen Pfad und nach vieler Mühsal erreichen wir die Vosecka Bouda (4.Etappe: 41,5 km 1260 m NN)
Es ist wirklich interessant, hier den Obergang vorn dichten Tannenwald zu grasbewachsenen, öden und felsigen Hochflächen zu beobachten.
Man sieht schon auf einen Höhenunterschied von vielleicht hundert Metern, wie rasch die Wuchshöhe der Tannen abnimmt und ganz plötzlich liegt der Wald hinter uns, wir stehen auf der wiesenbestandenen Hochfläche. Doch auch hier viele, viele Ausflügler, aber es sind nur noch fünf Kilometer bis zum Ziel.
Dieses letzte Stück bohrt sich in die Erinnerung, wie die spitzen Steine des Pfades in die Schuhsohlen, wir müssen auf die Entgegenkommenden achten, wir sind in einer Reihe eingekeilt, aber wir merken auch, daß die Sonne nicht mehr so unbarmherzig sticht, ein scharfer Wind vertreibt die Sommerglut.
Und dann liegt sie vor uns, die moderne Elbfallbaude. Es sieht aus, als ob sie am Felsen klebt und ich bin zufrieden, das heißt, auch die erreichte Höhe von fast 1400 Metern stellt mich zufrieden.
Ringsherum wächst wahrhaftig nichts mehr, wir sehen nur noch Felsbuckel, spitze Grate, Steine und sumpfige Wiesen, aber vereinzelt stehen Krüppel- oder Latschenkiefern.
Eine neue Schikane.
Wir müssen einen Umweg über die EIbequelle machen, der direkte Weg, ein Knüppeldamm, ist wegen Einbruchgefahr gesperrt.
Ich muß sagen, ich bin etwas enttäuscht von der EIbequelle, welche ein simples von einem Betonring eingefaßtes Becken ist.
Dazu kommt, daß das Wasser ziemlich schmutzig ist. Na ja, kein Wunder bei den vielen Menschen.
Ein komisches Gefühl ist es aber doch, wenn man daran denkt, daß dieses Rinnsal einmal ein so großer Strom werden wird.
Mir fallen sofort die schmutzigen EIbewasser bei Wittenberg ein.
Es ist genau fünfzehn Uhr und fünf Minuten, als wir vor der Baude stehen.
Es ist vollbracht, wir sind da, endlich!
Wir haben das so ferne Ziel erreicht, doch trotz allem fällt unsere Siegesfreude geringer als erwartet aus. Hinter uns liegen sage und schreibe (ich habe es später ausgemessen) 46,5 Kilometer!
Ich kaufe Ansichtskarten am Kiosk und wir essen ein Paar viel zu teure Wiener und trinken Coca Cola. Immerhin gibt uns aber das Bewußtsein, das Ziel realisiert zu haben, noch die Kraft, unsere müden Beine in Richtung Restaurant in Bewegung zu setzen. Nun sitzen wir hier, genießen die Pause und leisten uns Ananas und Juice.
Die Einrichtung hier gleicht einem Interhotel, die Preise richten sich anscheinend sehr stark nach der Höhe. Uns ist es vollkommen egal, ob den Kellnern unsere Erscheinungen gefallen oder nicht und Tasse macht mich grienend darauf aufmerksam, daß ich Schaum vorm Mund hätte. Ich lecke und schüttle mich sofort, es ist blankes Salz. Wir trinken und sehen aus dem Fenster.
Inzwischen kommen deutsche Urlauber herein und setzen sich an den Nebentisch.
Sie fühlen sich wie zu Hause.
Gegenüber, auf der anderen Seite der Schlucht des EIbetals steigt der Fels schroff in die Höhe. Auf dem Grat steht ein Restaurant.
In Serpentinen schlängelt sich ein Pfad bis in die halbe Höhe und verläuft dann weiter nach unten, nach Spindlermühle, zur Wiesenbaude, zur Schneekoppe. Die Völkerwanderung scheint wieder begonnen zu haben.
Doch auch unsere Zeit drängt, wir müssen wieder zurück, obwohl wir geme noch Stunden gesessen hätten. Da machen sich unsere Beine bemerkbar, langsam stehen wir auf und gehen zum Ausgang, ständig bemüht, unsere steifen Knie niemanden merken zu lassen. Draußen friere ich, der Wind ist kalt, aber ich weiß, es ist die Müdigkeit, dje Anstrengung.
Dann sehe ich hinüper, zu den Gipfeln des Riesengebirges, doch die klare Sicht, wie wir sie vor einer Stunde hatten, ist nicht mehr, drüben verschwimmt alles im Dunst, es ist grau in grau.
Hier jedoch lacht noch der blaue Himmel.
Stunden vergehen, drei endlos lange Stunden des Abstiegs und schließlich ist es neunzehn Uhr, als wir endlich das Schild "Krkonossky Narodni Park" erreichen.
Diesmal sind wir schon zu müde, um uns noch gie Hände zu schütteln, aber wir sind froh, daß wir dieses schwierige Stück hinter uns haben.
Die Sonne verschwindet langsam hinter den Bergen, ich verpflastere schnell meine Füße, verklebe meine Blasen.
Schon in Harrachov war uns die Wette egal und wir erkundigten uns nach gen Busfahrzeiten, doch dann brachten wir noch genug Willen auf, um weiterzulaufen.
Wie in einem Alptraum erscheint mir die Straße, die wir eingeschlagen haben.
Vorläufig sehe ich lieber nicht auf die Karte, der Schock wäre zu groß.
Und doch hasten wir unerbittlich weiter, der Wettlauf mit der Zeit hat begonnen.
Aber noch ein Faktor treibt uns an, die Helligkeit.
Es wird später unq später, es dämmert und wieder einmal verläßt uns der Mut.
Wir wollen versuchen, den Zug von Korenov nach Josefuv Dul zu nehmen, aber dieser fährt erst gegen zweiundzwanzig Uhr und von Josefuv Dul (Josefstal)sind es immer noch zwölf Kilometer. So laufen wir weiter, nähern uns Schritt für Schritt dem Zelt, Kilometer auf Kilometer wird gefressen, aber bald versuchen wir, per Autostop zu fahren. Meine Blasen schmerzen und ich hinke ein wenig mehr als notwendig, während wir winken. Es hält kein Fahrer. Wir haben keinen Blick mehr für die Gegend, doch es wird sowieso dunkel und wir kommen nur noch durch Dörfer. Polebny, Desna, Albrechtice. In Albrechtice ist es einundzwanzig Uhr dreißig und dort setzen wir uns kurz entschlossen in eine Kneipe. Es ist eine einfache billige Spelunke, doch uns ist alles egal. Hastig stürzen wir das kalte Bier hinunter, verschnaufen ein wenig und machen uns wieder auf den Weg. Jetzt ist es absolut finster, nur die Lampen erhellen ab und zu die Straße und ich beneide die Leute, die jetzt ruhig in ihren bequemen Sesseln vor dem Fernseher sitzen und sich erholen können. Antoninov, Josefuv Dul, es ist 22 Uhr 15, da hören wir am Bahnhof einen Zug einfahren. Jetzt wären wir angekommen und wären wesentlich ausgeruhter, aber wir sind stolz darauf, daß wir gelaufen sind. Wie mechanisch schleppen oder besser marschieren wir (man kann es wirklich noch marschieren nennen) durch den nächtlichen Ort. Mir kommt es so vor, als ob alles unwirklich ist, als ob wir vor wenigen Stunden gar nicht in der fernen Elbfallbaude waren. Dann die Wegbiegung, das letzte Stück liegt vor uns, sieben Kilometer durch nachtdunklen Wald. Wir haben die Taschenlampen, doch es ist besser, wenn wir ohne Licht laufen. Unsere Augen gewöhnen sich an die Finsternis. Und doch ist es etwas unheimlich, mitten in der Nacht durqh einen unbekannten Wald, zu laufen, auch wenn es Straße ist, und zwei Autos vorbeifahren. Meine Knie machen nicht mehr mit, zwingen eine Pause nach der anderen auf und jetzt erst merke ich, welche eiserne Kondition Tasse hat, er trägt sogar den Rucksack. Nach langer Zeit sehen wir Lichter, Karlov, eine kleine Siedlung. An einem Brunnen machen wir Halt, setzen uns auf die Umrandung und trinken Quellwasser das richtet auf. Wir betrachten den klaren Nachthimmel, die Sterne und da, sogar Sternschnuppen huschen für Sekundenbruchteile über den tiefschwarzen Hintergrund. Und wieder geht es weiter. Ich glaube, daß ich keinen Schritt mehr gehen kann und doch zwingen wir uns, weiter zu laufen.
Tasse geht es bestimmt ähnlich, er schweigt verbissen.
Da leuchten erneut Lichter auf.
Ist es Bedrichov?
Nein, wir werden enttäuscht, es sind nur einzeln stehende Häuser.
Schien es in Albrechtice noch, daß wir die Wette gewinnen, so war es jetzt sicher, daß nichts mehr zu holen war.
Ich wußte, daß es Tasse geschafft hätte, aber ich wußte auch, daß er aus Rücksicht alles sausen ließ. Wie wir schließlich ankamen weiß ich nicht mehr, aber wir schliefen sofort.

Wir haben 89 km in den Beinen.