Hinflug

 

Sonnabend, 11.11.1995
Abfahrt nach Frankfurt Frankfurt/Main Hbf. Frankfurt/Main Flughafen
Der erste Hammer heute: Statt 13.15 geht unser Flug laut Anzeige erst 14.15 Uhr, d.h., wir hätten einen Zug später fahren können.
Der zweite Hammer: Nachdem wir bis 11.45 mit dem Einchecken warten mußten, sind unsere Hotelvouchers für Delhi nicht im Ticket, also müssen wir uns kümmern. Aber die Dame vom Check hilft.
Frankfurt ist die absolute Drehscheibe im Weltluftverkehr, es gibt quasi keine Gesellschaft, die hier nicht vertreten ist.
Und es gibt scheinbar auch keine Nationalität, die fehlt.
14.15 Uhr Boarding In.
Der Flug verschiebt sich weiter nach hinten. Wir überlegen schon, auf die Hotel-Übernachtung in Delhi zu verzichten. Aber halb fünf endlich startet die Boeing 747 von Tower Air (New York). Air India hatte keine Maschinen zur Verfügung.
6997 km bis Delhi.
Flughöhe ca. 28000 ft. Außentemperatur -40°F Geschwindigkeit ca. 600 mph, Flugdauer: 7 h 13 min
An Bord befinden sich größtenteils Inder.
Und Frank, unser Dritter im Bunde, sitzt neben uns. Draußen wird es dunkel, November eben, der Fensterplatz ist also leider umsonst.
Der Zeitunterschied zu Delhi beträgt 4 h 30 min. Wir werden also am ganz frühen Morgen in Delhi ankommen.

Sonntag, 12.11.1995
Halb fünf landen wir in Delhi von dem jedoch außer einem riesigen Lichtermeer nichts sehen können. Der Flug bisher war gut, habe ca. 3 Stunden geschlafen, das Essen wie immer konserven­mäßig, aber wenigstens was Warmes.
Und auf der Leinwand lief Richard Gere und Sean Connery. In english please.
Delhi Flughafen: Ein Geruch, der für exotische Länder typisch zu sein scheint, viel intensiver, würziger, undefinierbar, ganz anders halt, als es die Nase gewohnt ist.
Da wir aufgrund des Weiterfluges 10.15 Uhr (indische Zeit) eigentlich das Hotel sausen lassen können, trudeln wir nun zum Ausgang um unser Gepäck für den Check In nach Katmandu zu ho­len.
Frank hat Seins bereits in Frankfurt nach KTM durchchecken lassen.
Aber der Witz ist, daß, wie auch in allen Ländern, die jemals Kolonie eines europäischen Landes waren, die Bürokratie auf die Spitze getrieben ist. Wir kommen ohne indisches Transitvisum nicht raus und an unser Gepäck und ohne den Beistand von Air India nicht in den Transitraum. Also sit­zen wir nun auf dem Gang im Niemandsland fest.
Und das "Welcome in Delhi" ist für uns wie zum Hohn.
,Aber nach drei Versuchen, Frank spricht zum Glück sehr gut englisch, erbarmt sich Einer. Er holt unser Gepäck rein und lotst uns auch am scharfen grauhaarigen Security Mann vorbei in den Transitraum.
3$ für den Träger, der sich mit dem Wagen ja auch unheimlich abschinden mußte. Und noch Fahrstuhl gefahren ist. Aber na ja, was soll der Geiz. Nepal ruft. Ansonsten ist dieser Airport wieder ganz anders als Schiphol, Nairobi, Teneriffa oder Frankfurt.
Im Baustil der 50-er Jahre, als Indien nach der Befreiung eine rasante Entwicklung erlebte. Und es treffen reiche ostasiatische Kaufleute, von weißen westlichen Touristen scheel beobachtet, auf z.B. bettelarme Inder. Manche von ihnen sehen wir schlafend auf den Gängen oder im Klo liegen.
Aber auch bei den Indern gib es rein äußerlich große Unterschiede in Bezug auf Kleidung, Aussehen und Benehmen. Manche tragen Turban, die Frauen Saris, manche haben Kinder und sind selbst noch Kinder.
Ein bunter Wirrwarr...
Sogar Usbeken sehen wir.
And we're waiting.
Und die europäischen Touris lärmen und nerven. Irgendwann kommt eine Nepalin (oder Inderin) vorbei, schreibt uns auf ihre Liste und teilt uns mit, daß der Flug nach Katmandu von 10.15 auf 13.15 verschoben ist.
Hurra. Also weiter warten.
Irgendwann danach kommt ein Inder vorbei und schleift uns ins Flughafenrestaurant. Breakfast auf Kosten von Royal Nepal Airlines.
Danach Weiterwarten...
Und gegen viertel eins beginnen wir mit dem Einchecken welches wieder das absolute Erlebnis ist. Der zuständige Officer ist ein vollkommen nervöser Hektiker, der eigentlich überhaupt keinen Durchblick mehr hat.
Aber viertel drei, man glaubt es kaum, geht es allen Hindernissen zum Trotz endlich nach NEPAL.
Als wir über der sonnenverbrannten indischen Gangesebene die volle Flughöhe erreicht haben, erspähen wir am nördlichen Horizont eine endlose Reihe von Haufenwolken.
Bis jemand bemerkt, daß das alles Schnee ist, und wir zum ersten Mal im Leben das Himalajagebirge sehen.
Einige Zeit später schwenkt die Kette der Schneeberge nach Süden und ist uns nun beträchtlich näher.
Alle kleben an den Scheiben.
Daß die Berge groß sind, wußten wir. Aber so gigantisch hat sie sich wohl niemand vorstellen können. Dann erheben sich Dhaulagiri und Annapurna über ihre Trabanten. Tief unten ein Wolkenmeer über den Vorgebirgen.
Ein Ausblick, wegen dem sich schon allein die ganze Reise bis hierher gelohnt hat!
Und dann Landung auf dem Katmandu Tribhuvan International Airport, die Sonne brennt und schneebedeckte 8000-er und 7000-er überragen die grünen Vorgebirge.
Die Zollformalitäten sind problemlos, bis auf Frank, der sich noch ein Visum holen muß, sind wir schnell draußen.
Und wie wir bereits befürchtet haben, steht auch prompt unser Empfangskomitee nicht am Ausgang. Wir gehen vors Gebäude inmitten der zahlreichen wartenden und lauernden Taxifahrer und Gepäckträger und dann rasch wieder hinein. Was tun?! ­
Am besten telefonieren. Doch da steht unsere Empfangsdame plötzlich vor uns. Sie ist Belgierin und lebt seit 16 Jahren in Nepal. Und nun geht es durch das quirlige Katmandu zum Hotel Gauri Shankar.
Die Stadt ist auf den ersten Blick furchtbar chaotisch, der Linksverkehr ist zwar vorgeschrieben, aber man fährt, wo gerade der meiste Platz ist. Die Hupe ist bedeutend wichtiger als die Bremse und trotzdem passiert kein Unfall.
Die Häuser stehen verschachtelt in sehr desolatem Zustand, in jeder Nische, in jedem Loch ein Händler und Menschen, Menschen, und Autos und Autos und dazwischen heilige Kühe.
Wir sind völlig erschlagen von diesen ersten Eindrücken.
Das ist Mombasa gedrängt auf wenige Quadrat­kilometer hoch fünf. Dreck, Smog, Lärm und Chaos. Und darüber die Berge.
Die Belgierin erzählt, daß vor zwei Tagen oben in Gokyo, dem Nachbartal vom Khumbu, eine Schneelawine niedergegangen und 25 Menschen getötet haben soll.
Hier in Katmandu gab es aufgrund der starken Schneefälle, die in diesem Jahr unverhofft zeitig einsetzten, eine Überschwemmung.
Wie wir zwei Wochen später erfahren, hat es bei der Katastrophe vermutlich 250 Todesopfer gegeben. Nach den Formalitäten der Anmeldung stehen wir oben im 5. Stock auf dem Dachgarten über den Dächern von Katmandu und filmen und fotografieren wie die Besessenen die im Abend Sonnenlicht glühende Bergkette am östlichen Horizont.
Nach derart herrlichen Eindrücken speisen wir unten im Restaurant zu Abend, klönen noch bei einem Bierchen und um acht, nach dem Duschen, geht es in die Kojen.