Namche Basar - Thengboche

 

Freitag, 17.11.1995
Heute morgen geht es Mike noch schlechter, aber er will trotzdem mit nach Thengboche hinauf.
Halb neun nach dem Frühstück ist Abmarsch.
Frank und mir geht es gut, nur gestern in Khunde hat sich der Kopf mal kurz gemeldet.
Aber Mike muß heute das Tempo bestimmen, er geht am Stock.
Nachts muß es heute einiges unter Null gewesen sein, die Dächer, Felder und Wege sind weiß mit Reif überzogen.
Wir nehmen heute einen schönen Höhenweg hoch über dem Flußtal, gegenüber riesig die Eispy­ramide des Tramserku, tief unten die Brücke von vorgestern. Und vor uns im Norden Everest Lhotse und Ama Dablam.
Auch das Kloster, welches nicht weit entfernt zu sein scheint, können wir bereits sehen. Die Landschaft ist sehr herbstlich und einfach faszinierend.
Die grünen Täler, der rauschende Fluß in der Schlucht die Eisgipfel, das bunte Laub, der blaue Himmel, die unterschiedliche Farbe der Erde auf den Feldern, schachbrettartig...
Und wie jeden Tag auch heute eine intensive vormittägliche Quellwolkenbildung an den Bergen.
Wir laufen nun durch eine parkähnliche Gegend, Tannenwald, Rhododendronbüsche, Kakteen mit roten Blättern, Edelweiß, Glockenblumen und viele andere Pflanzen.
Und das in einer Höhe von 3700 Metern
Gegen Mittag führt der Weg steil hinab ins Flußtal, den donnernden Gebirgsbach überqueren wir wieder auf einer schönen Hängebrücke und dann gibt es Essen.
Noodle soup and fried rice with vegetables in der kleinen Ansiedlung Phunki (3250) unterhalb des Kammes, auf dem Thengboche liegt. Wir genehmigen uns eine lange Pause, sehen beeindruckt die schwere Lasten tragenden Sherpas vorbeigehen, die Yak- und Touristenkarawanen und genießen die Sonne.
Schön ist es im Khumbu.
Danach wieder steiler Aufstieg, pole, pole, Mike geht voran, durch Ward- und Parklandschaft. Es eröffnen sich neue Ausblicke auf die eisige 2500-­ Meter-Nordwestwand des Kangtega (6685), die wirklich gigantisch ist und auch unser alter Bekannter, der Tramserku läßt sich nicht lumpen und zeigt sich mit seiner messerscharfen Gipfelfirnschneide von seiner allerbesten Seite. Ob dieser Eisgrat jemals durchstiegen wurde? Dreiviertel drei sind wir oben am Kloster.
Reger Touristenrummel, wie gewohnt.
Wir bekommen in einer Lodge unsere Betten und trinken erst einmal Tee zum Aufwärmen.
Der Weg bis Pangboche scheint schneefrei zu sein, aber danach?!
Übrigens hat es sich jetzt zugezogen, es wird kalt Und wir sind auf 3865 Metern.
Um vier können wir sogar das Kloster besichtigen. Leider wissen wir zu wenig über den Buddhismus, eigentlich gar nichts...
Aber schon allein das Kloster, welches 1989 vollständig abgebrannt war in nur 6 (!!!) Jahren originalgetreu wieder aufgebaut wurde, ist äußerst beeindruckend.
Nach der Besichtigung reißen gerade die Wolken wieder auf und nun glänzen darüber unerreichbar fern im Abendsonnenlicht die Acht- und Siebentausender. Der Ama Dablam glüht.
Nebel zieht über unsere Anhöhe, durch die Tannen, ein Märchen.
Alles ist verzaubert und unwirklich, es ist eine Traumphantasie, die wir da sehen dürfen.
Die Japaner stehen mit ihren Kameras auf riesigen Stativen in Reih und Glied und auch alle an­ deren Touris knipsen wie wild. Kangtega und Tramserku blinken durch die Wolkenlöcher, einfach phantastisch.
Und dann der Sonnenuntergang, Sonne oben am Everest und am Lhotse, Ama Dablam schon im Schatten, bei uns ist es fast dunkel...
Und viertel sechs, Minuten später der Moment, an dem die letzten Lichter oben erlöschen, die Berge bläulich verfärbt.
Man kann die Kälte sehen und spüren...
Furchtbar kalt wird es da oben sein.
In unserer Lodge dagegen ist es warm und gemütlich. Die Gesellschaft ist international, Deut­sche, Hollän­der, Amis, Dänen, Sherpas...
Viel weiter werden wir wohl nun nicht mehr kommen. Leider, denn diese Bilder machen Lust auf mehr. Aber der Schnee! Ab 4000 sieht es weiß aus.
Übrigens haben wir heute den ersten akut Höhenkranken gesehen, der ins Tal transportiert wur­de.