Pfingstfahrt

Oben auf dem Berg am Rand des Rapsfeldes mit Blick auf den Pöhlberg gibt es im Magen nun doch eine kleine Unruhe.

Ja - habe es verstanden. Wir sind ja in Kürze da. Das genügt für heute, für den Anfang erst einmal.
Obwohl es zugegebenermaßen bisher wirklich gut rollte.

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Nur ein wenig kalt war es unter der hochnebelartig düsteren und dichten grauen Suppe am Himmel. Ein paar Beinlinge wären nicht schlecht gewesen.
Nun scheint die Sonne, auch wenn der Wind unangenehm kühl über die Höhen des Erzgebirges weht. Ein Traum ist das hier, dafür hat es sich doch wieder gelohnt.
Früher - als noch alles anders war, ließ sich diese Tour so fast nebenbei am Nachmittag abwickeln, nunmehr braucht man einen Tag dazu.
Allerdings gab es auf der Route durch den Naunhofer Forst bis nach Trebsen an der Mulde hinüber schon Einiges zu sehen, was bei größerer Geschwindigkeit entgangen wäre.
Das ist es im Prinzip auch, was den Reiz nun ausmacht. Schnell fahren? Aus dem Alter sind wir doch raus ;-) Wem muss man hier noch etwas beweisen? Sich selbst? Maximal doch, dass es noch geht und man vor allem Spaß dabei hat.
Locker kurbeln, die Augen auf halten und das Land entdecken. Und natürlich das noch mit dem einen oder anderen Foto belegen.
Mit leichtem Rückenwind (abgesehen vom kühlen Wetter) rollt es an der Mulde entlang, an Grimma vorbei, dem Zusammenfluss von Zwickauer und Freiberger Mulde bei Sermuth, hinüber nach Colditz mit seinem auf dem Hang thronenden Schloss. Der englische Offizier, der im Krieg aus der Gefangenschaft mit einem selbstgebauten Fluggerät von da oben flüchtete, hatte wirklich Mut.
Hinter Colditz wird die Landschaft hügeliger - und idyllischer. Und noch ländlicher, die Mulde hat sich ein schönes Tal in die Landschaft gefräst, durch das es nun bis Rochlitz geht. Auch hier die Kulisse von Schloss und Schlossmühle - tausendmal gesehen und trotzdem sehenswert.
Dann lauern die ersten "Berge" hinüber ins Chemnitztal. Am Effektivsten fährt es sich zunächst steil hinauf auf die B107 und von dort bis Wiederau, lässt man mal den Autoverkehr außer Betracht. Landschaftlich am Schönsten ist die Route am Fluss entlang bis Fischheim und von dort irgendwie bis Wechselburg. Schieben nicht ausgeschlossen... Und wer will (und es braucht) kann via Hängebrücke bei Sörnzig auf das Westufer der Mulde wechseln und noch so nebenbei den Gipfel des Rochlitzer Berges mitnehmen.
Heute jedoch nicht, es ist noch ein Stück Weg zu absolvieren, deshalb fällt die Entscheidung für Variante B107. Auf der geht es nun im permanenten Auf und Ab bis Wiederau, ehe man von dort aus ins Chemnitztal hinab ein paar Kilometerchen lang die Füße hochnehmen und es rollen lassen kann.
Chemnitztal - eine schadhafte, kurvenreiche aber landschaftlich schöne Strecke. Heute kaum von Autos befahren, in Schweizerthal ist Baustelle, mit dem Rad kommt man dort locker durch. Der noch recht neue Radweg auf dem ehemaligen Bahndamm ab Markersdorf ermöglicht schließlich eine entspannte Fahrt nach Chemnitz hinein. Unterwegs nach 90 kmchen wird der "Bergradführer" aufgesammelt (inkl. Pause bei Kaffee und Torte - Vielen Dank dafür :-), denn ohne Ortskundige ist man in der großen, für Radfahrer etwas chaotischen Stadt (aber auch hier sind Fortschritte in Bezug auf Radweginfrastruktur zu verzeichnen) ein wenig aufgeschmissen.
Der "Bergradführer" kennt die besten Ecken hier, so dass der Weiterweg am Adelsberg entlang hinauf zum "Goldenen Hahn" auch ein landschaftlicher Genuss bleibt. Inklusive Blick auf das im Talkessel liegende "Rußkamtz". (für Nicht-Sachsen: "Rußchemnitz" - hat mit der Industriegeschichte vor dem Krieg zu tun - danach dann Gorl-Morgs-Schdodd, kurz KaEmmEss oder Kalle Malle - nun einfach Chemnitz)
Der Rest hinauf auf den höchsten Punkt heute ist bekannt. Nur der Aha-Effekt oben an der Dittersdorfer Höhe - der Blick auf Fichtel- und Keilberg bleibt heute aus. Es ist zu dunstig. Doch der Pöhlberg grüßt ebenso freundlich herüber.
Und der Magen beruhigt sich nun auf der Abfahrt ins Zschopautal auch wieder schnell.
Der "Bergradführer" gibt Gas, der "Flachländer" hat zu tun, dran zu bleiben.
Wir haben heute Abend noch einen wichtigen Termin im "Grenadier" zu Wolkenstein.
Also bekommt das Rößlein die Sporen und so geht es im wilden Galopp durch Scharfenstein mit der bemerkenswert schönen Burg auf dem Berg über dem Ort und das Weltdorf Hopfgarten rasch bis Wolkenstein.
Der letzte Anstieg hinauf zur Pension - das war es. Wieder einmal...
Nicht schnell, aber schön.
Und der Uhu merkt, es geht wieder - wenn er sich entsprechend anpasst und verhält.
Statt Medaille und Urkunde gibt es im "Grenadier" anschließend ein gutes Regimentsbräu im Abendsonnenschein und ein gutes Abendessen.
So soll es sein.
Ein schöner Tag...

137,13 km , 1600 Höhenmeter.